„Ich dachte, das sind Zahlen aus den 50-er Jahren.“ Der Sportwissenschaftler Professor Dr. Thomas Horky berichtete bei der DOSB-Konferenz „Augenhöhe oder Brustumfang“ von seiner Reaktion auf die Studie seiner Studentin Annika Prigge über Frauensport in der lokalen und regionalen Berichterstattung. Das Ergebnis erschütterte auch die Konferenzteilnehmer*innen, denn es lautet, kurz zusammengefasst: Keine Chance für Frauensport. In den ausgewählten Regionen, davon sogar in einer mit erfolgreichen und deutlich höher spielenden Frauenteams und weniger erfolgreichen und deutlich niedriger spielenden Männerteams in verschiedenen Sportarten, lag der Anteil der Berichterstattung über Frauen nicht einmal bei zehn Prozent. Rund 40 Prozent der Mitglieder im DOSB bzw. in all seinen Mitgliedsorganisationen sind Frauen. Das ist mehr als eine kleine Diskrepanz.
Dass Frauen in der Sportberichterstattung weniger wahrgenommen werden als Männer, war natürlich allen klar – genau deshalb hat die von der Frauen-Vollversammlung 2016 eingesetzte Arbeitsgruppe „Geschlechtergerechte Darstellung in den (Sport)Medien“ den Kongress am Samstag in Leipzig ja angeregt. Aber dass der Anteil so verschwindend ist, gerade auch in der regionalen Sport-Berichterstattung, hätte sich manche*r nicht vorstellen können. Es gibt also auch im Jahr 2019 noch immer einen gewaltigen Nachholbedarf, auch wenn man bedenkt, dass der (Profi)-Fußball (der Männer) hierzulande die Sportart Nummer eins ist und sich die Berichterstattung nun einmal stark darauf konzentriert.
Fatal ist, dass über Frauen auch anders als über Männer berichtet wird: Männer werden in Bildern überwiegend aktiv in ihren Sportarten dargestellt, Frauen in der Mehrheit passiv, sitzend oder stehend, das gleiche gilt für Texte, bei denen die Schlagzeile auch mal so heißen kann: „...tauschte Windeln gegen Handtasche“. Vieles scheint bei Frauen wichtiger zu sein als das, was letztlich eine Sportlerin ausmacht, nämlich die Leistung.
Aber wie jetzt Veränderung schaffen? Ein Grund für diese Ergebnisse ist, neben der Präferenzen für Profifußball hierzulande, dass eben Männer über Männer schreiben, so DOSB-Vizepräsidentin Petra Tzschoppe: Kurz gesagt: Es gibt zu wenige Sportjournalistinnen. Ein zweiter Grund, weshalb sich auch weit nach den 50-er Jahren das Bild offenbar nicht wesentlich verändert hat, ist der steigende Einfluss von Online-User-Präferenzen. Denn eine Studie des internationalen Kinderhilfswerks „Plan International“ kam zum – ebenfalls ernüchternden – Ergebnis, dass speziell Soziale Medien mit ihrem modernen und jugendlichen Anspruch tradierte Rollen geradezu verfestigen.
Insgesamt heißt das, dass noch eine Menge Arbeit zu leisten ist. Dass besonders in den Sozialen Medien mit anderen Bildern dagegengehalten werden muss. Dass es noch mehr Vorbilder braucht, mehr Frauen im Sportjournalismus und im Sport. Gerne auch in den Führungsebenen des Sports, denn je tiefer das Thema in den Köpfen der Entscheider verankert ist, je größer werden die Chancen, dass mutige Frauen nicht im Hintergrund bleiben, sondern sichtbar werden.
(Autorin: Ulrike Spitz)
In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.