Kann es sein, dass Sportler Urlaubssemester einlegen müssen, um die Qualifikation für Olympia zu schaffen? Besteht die Gefahr, dass Spitzenathleten nur deshalb zur Polizei gehen, weil sie dort Sport und Karriere am besten vereinen können? Lässt sich das amerikanische System, in dem Sportler ihr Studium am Trainingsplan ausrichten und nicht andersrum, auf Deutschland übertragen? Wollen wir das? Und muss Duale Karriere überhaupt bedeuten, dass Sport und Berufsausbildung parallel erfolgen?
Über diese und viele weitere Fragen diskutierten in der vorigen Woche (9. November) die Teilnehmer des 4. Sportdialogs „Volltreffer“ des Landessportbundes Hessen (LSB). Die Diskussionsrunde in den Räumen des Hessischen Rundfunks (HR) hatte der Verband unter den provokanten Titel: „Leistungssport und Bildung: Segen für die Athleten, Fluch für den Sport?“ gestellt, wie Susanne Lapp, Vizepräsidentin Kommunikation und Marketing des LSB, bei ihrer Begrüßung erläuterte.
„Der Sport darf keine Einbahnstraße sein“, befand gleich zu Beginn der für Leistungssport zuständige Vizepräsident Lutz Arndt: „Schon unseren jungen Talenten und ihren Eltern müssen wir glaubhaft aufzeigen, dass es möglich ist, neben dem Sport eine gute Ausbildung zu absolvieren.“ Arndt vertrat damit die klassische Definition der Dualen Karriere im Sport: Schon während seiner aktiven Zeit arbeitet ein Athlet an seiner beruflichen Ausbildung, macht Abitur, absolviert ein Studium oder eine Ausbildung – bestenfalls zu angepassten Bedingungen.
Dirk Schimmelpfennig, Vorstand Leistungssport des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), ist diese Auffassung zu starr: „Wenn wir in der Weltspitze mitmischen wollen, muss sich die berufliche Ausbildung unserer Athleten mehr an den Bedingungen des Leistungssports orientieren.“ Soll heißen: Für jede Sportart, für jeden Sportler müssen individuelle Lösungen gefunden werden. Schimmelpfennig bemühte dafür Beispiele aus seiner eigenen Sportart, dem Tischten-nis: „Viele unserer Top-Athleten haben nur Mittlere Reife gemacht und sich danach voll und ganz auf den Sport konzentriert, um mit den Asiaten mithalten zu können. Sie sind erst nach der Sportkarriere ihren beruflichen Weg gegangen – durchaus erfolgreich.“
„Wer hätte das bezahlen sollen?“
Doch ist das ein Modell für alle Sportler? „Ich komme aus einer ganz normalen Familie. Wenn ich mich nach dem Abitur erst einmal nur auf den Sport konzentriert hätte – wer hätte das bezahlen sollen?“, fragte Siebenkämpferin Carolin Schäfer. Als Fünfte der Olympischen Spiele in Rio gehört sie in ihrer Disziplin zur Weltspitze – doch leben kann sie davon nicht. Dafür habe sie es mit ihrem Arbeitgeber „perfekt getroffen“. Dieser Arbeitgeber heißt Polizei. „Ich habe es perfekt getroffen, weil Kommissarin auch ohne Sport mein Wunschjob gewesen wäre“, sagt die 24-Jährige. Doch obwohl das Studium für die Mitglieder der Sportfördergruppe auf viereinhalb Jahre gestreckt ist, sei die Doppelbelastung in dieser Zeit extrem gewesen. „Ich bin von A nach B gerannt. Denn ich will nicht nur im Sport Weltklasse sein, sondern auch im Beruf“, nennt Schäfer klare Vorstellungen.